Autofahren im Alter und Demenz

Autofahren im Alter und Demenz – wie spreche ich es bei meinen Eltern an?

Deine Eltern fahren noch selbst mit dem Auto? Und du hast dabei ein ungutes Gefühl? Vielleicht sehen deine Eltern nicht mehr so gut, sind ab und zu etwas desorientiert und die Nebenwirkungen der vielen Medikamente tragen nicht gerade zur Verkehrssicherheit bei.

Trotzdem halten sie sich für fit genug, um immer noch selbst Auto zu fahren. „Ich fahre doch nur kurze Strecken“, „ich kenne den Weg doch ganz genau“, „ich fahre schon 40 Jahre unfallfrei“…

Doch machen wir uns nichts vor – es geht hier nicht nur um die Gefahr für deine Eltern, sondern auch darum, dass anderen etwas passieren könnte. Die längere Reaktionszeit und die falsche Einschätzung von unübersichtlichen Verkehrssituationen sind der häufigste Grund für Unfälle im Alter. Sehr oft kommt es zu schweren Unfällen auf Parkplätzen, weil Gas und Bremse vertauscht wurde.

Wie schaffst du es also, deine Eltern dazu zu bewegen, nicht mehr selbst mit dem Auto zu fahren?

Es geht mir hier nicht darum, grundsätzlich allen Senioren das Autofahren zu verbieten, sondern darum, was du tun kannst, wenn du dir berechtigte Sorgen um die Fahrtauglichkeit deiner Eltern machst.

Lass uns mal die unterschiedlichen Facetten des Autofahrens anschauen

  • Autofahren ist Selbstbestimmung – Das Autofahren ist so viel mehr, als von A nach B zu kommen. Der Führerschein ist gleichzeitig ein Symbol für Freiheit, Selbstbestimmung und Souveränität. Besonders für Frauen war es damals ein Zeichen der Emanzipation, den Führerschein zu machen und eine neue Unabhängigkeit zu erleben.
  • Das Autofahren ist komplett emotional – auch beim größten „Sparbrötchen“ haben Vernunftargumente und die tatsächliche Kostenersparnis keine Chance.
  • Die Selbsteinschätzung ist ziemlich unrealistisch – jeder und jede denkt von sich: „Niemand kann so gut fahren, wie ich!“

Die Vorstellung, nicht mehr Autofahren zu können oder zu dürfen, führt bei den Eltern zu großem Stress. Es geht um den Verlust der Unabhängigkeit und Freiheit. Das Selbstwertgefühl leidet darunter. „Was bin ich dann noch wert, wenn ich meine Frau nicht mal mehr zum Friseur fahren kann…?!“ Auch gibt es große Angst vor einem Gesichtsverlust: „Wie stehe ich denn vor meinen Freunden da?!“ Und vor einer möglichen Isolation. „Dann kann ich ja niemanden mehr besuchen – und wie soll ich dann einkaufen?“

Die Gefahren im Straßenverkehr

Es geht beim Autofahren ja nicht nur darum, zu wissen, wie man ein Auto richtig bewegt. Genauso wichtig ist ein schnelles Reaktionsvermögen und rasche Entscheidungen bei unübersichtlichen und komplexen Situationen. Wenn das nachlässt, nimmt die Gefahr eines Unfalls zu. Grundsätzlich geht es mir immer um das Respektieren der Selbstbestimmung – doch hier geht es nicht nur um die Eigengefährdung, sondern auch um die Fremdgefährdung.

Wenn man Senioren fragt, wann Sie von sich aus mit dem Autofahren aufhören würden, ist die häufigste Antwort: „Wenn ich eine Unfall verursachen würde, dann würde ich mir es vielleicht überlegen.“

Auf welche Anzeichen solltest du achten?

  • Beulen und Schrammen am Auto oder an der Garage
  • Der Weg zu bekannten Zielen wird nicht mehr gefunden
  • Routinefahrten dauern viel länger als normal
  • Unangemessen schnelles oder langsames Fahren
  • Situationen werden nicht mehr richtig eingeschätzt
  • Es werden Verkehrsschilder und rote Ampeln übersehen
  • Es wird falsch Abgebogen
  • Es gibt Schwierigkeiten, die Fahrspur zu halten
  • Ungewöhnlich verwirrte Reaktionen während des Fahrens
  • Gas- und Bremspedal wird verwechselt
  • Nicht mehr wissen, wo das Auto geparkt ist
 

Manchmal gibt es keine direkten Anzeichen für ein unsicheres Fahren. Doch das Verhalten und die Einschränkungen in anderen Lebensbereichen geben Grund zur Sorge:

  • Starke Medikamente und deren Nebenwirkungen
  • Eingeschränkte Beweglichkeit
  • Eingeschränkte Seh- und Hörfähigkeit
  • Vermehrte Anzeichen von Demenz

Die wichtigste Frage, die du dir stellen kannst:
„Würdest du bedenkenlos einen geliebten Menschen mit deinem Vater oder deiner Mutter mitfahren lassen?!“

Und was kannst du tun?

Suche dir für ein erstes Gespräch einen ruhigen Moment. Teile deine Eltern deine Beobachtungen und deine Bedenken mit. Du solltest gleichzeitig versuchen, auf deine Eltern einzugehen und ihre Bedürfnisse ernstzunehmen.

Doch erwarte nicht, dass deine Eltern sofort begeistert sind und dir sagen, dass sie nicht mehr fahren wollen. Es geht eher darum, das Thema immer wieder anzusprechen. Deshalb ist es auch nicht ratsam, deinen Eltern sofort das Fahren zu verbieten. Das führt dann sehr schnell zu einem handfesten Eltern-Kind-Streit: „Du willst mich wohl entmündigen?!“

Bleibe dran und versuche – wenn möglich – einige Fahrt selbst zu übernehmen, zum Beispiel längere Strecken oder Fahrten bei Nacht. Auch das gemeinsame Bus- oder Bahnfahren kann deinen Eltern helfen, sich mit neuen Verkehrsmitteln anzufreunden.

Verschaffe dir einen Überblick, für welche Fahrten deine Eltern das Auto nutzen:
Einkaufen, Essen gehen, Arztbesuche, Friseurtermine, Besuche bei Freunden, Freizeitaktivitäten …

Dann überlege dir, wer diese Fahrten grundsätzlich übernehmen könnte. Stimme dich dazu auch mit deinen Geschwistern (falls vorhanden) und anderen möglichen Unterstützern ab. Vielleicht ist auch ein E-Bike oder die BahnCard 100 eine Alternative.

Vielleicht gibt es Nachbarn, Freunde oder Vereinskollegen. Es gibt mittlerweile immer mehr Angebote von Gemeinden und sozialen Diensten mit Gemeindebussen oder von Taxiunternehmen. Großmärkte bieten Lieferdienste an und Restaurants und Metzgereien bieten einen Mittagstisch an – es muss also nicht gleich „Essen auf Rädern“ sein.

Dein Ziel sollte es sein, so viele Fahrten wie möglich überflüssig zu machen. Mache dir dabei klar, dass trotz all dieser Angebote die gefühlte Lebensqualität der Eltern darunter leidet und zeige Verständnis dafür.

An die Vernunft appellieren – und „ein ernstes Wort“ mit deinen Eltern reden

„Was ist, wenn du nicht mehr rechtzeitig bremsen kannst und eine Mutter mit ihrem Kind überfährst? Muss den erst etwas passieren, bevor du einsiehst, dass du nicht mehr fahren kannst?“ In den wenigsten Fällen ist die Antwort: „In Ordnung – ich lass´ es sein“. Doch vielleicht bringst du deine Eltern zum Nachdenken.

Andere Autoritäten einbeziehen

Das können zum Beispiel die Ärzte, Optikerinnen oder Apotheker deiner Eltern sein. Nimm Kontakt mit ihnen auf und sprich mit ihnen über deine Einschätzungen zum Autofahren. Vielleicht sprechen sie das Thema dann bei der nächsten Begegnung an. Erfahrungsgemäß gelten die Argumente anderer Autoritäten viel mehr, als die der eigenen Kinder.

Wenn die Eltern von anderen hören, dass sie aus medizinischen Gründen nicht mehr Auto fahren sollten, dann macht das auf jeden Fall nachdenklich.

Allerdings halten sich die Ärzte bei diesem Thema oft etwas zurück, auch weil sie ihre Patienten nicht verlieren wollen. Es ist aber auf jeden Fall einen Versuch wert.

Eine Fahrstunde vereinbaren

Du vereinbarst für deine Eltern ein Sicherheitstraining oder eine Probestunde mit einem Fahrlehrer oder einer Fahrlehrerin. Wenn sie dann direkt erleben, dass sie in schwierigen Situationen überfordert sind, dann fällt es ihnen vielleicht leichter, das zu akzeptieren.

Du solltest den Fahrlehrer bitten, auch auf das  Reaktionsvermögen in komplexen Situationen zu achten – sonst lautet das Ergebnis: „Mensch, toll, was Sie in Ihrem Alter noch alles können!“

Was du nicht machen solltest

  • Den Autoschlüssel austauschen oder verstecken. Das ist keine langfristige Lösung. Außerdem sind ständiges Nachfragen, Suchen und Irritationen die Folge.
  • Deinen Eltern den Autoschlüssel abnehmen. Mit dieser drastischen Maßnahme ist der Konflikt vorprogrammiert. Für deine Eltern fühlt sich das an wie ein Freiheitsentzug und eine Entmündigung durch die eigenen Kinder. Nur das Auto gegen den Willen der Eltern verkaufen ist noch schlimmer!

Was kannst du noch tun?

Falls sich die Anzeichen für das unsichere Fahren häufen, kannst du auch zu Notlügen greifen. Denke immer auch an die mögliche Gefährdung anderer Menschen.

Das Auto springt nicht mehr an oder muss repariert werden

Du bringst höhere Gewalt ins Spiel und sorgst dafür, dass das Auto einfach nicht mehr anspringt. Ob leere Batterie, Marderbiss oder sonstige Startprobleme.

Suche dir dazu einen Verbündeten in einer Autowerkstatt oder beim Abschleppservice.

Die Mitteilung, dass es sich um ein größeres Problem mit langer Reparaturzeit oder hohen Kosten handelt, kann dafür sorgen, dass das Auto aufgegeben wird. Und oft werden diese Sachzwänge viel leichter akzeptiert.

Was kann die Polizei tun?

Der Schutz der Fahrerlaubnis hat bei uns eine hohe Priorität. Auf Verdacht kann die Polizei nichts tun. Sie kann leider erst einschreiten, wenn etwas passiert ist.

Die eleganteste Lösung

Es gibt jemanden in eurer Familie, der dringend ein Auto benötigt und es sich eine Weile ausleihen möchte. Damit appellierst du an die Hilfsbereitschaft deiner Eltern. Diese Methode setzt auf deren Freiwilligkeit und gibt ihnen das gute Gefühl, etwas Sinnvolles zu tun und helfen zu können.

Außerdem können sie dann in ihrem Freundeskreis von ihrer großzügigen Geste erzählen – und das ist viel angenehmer, als zugeben zu müssen, dass die eigenen Kinder einen nicht mehr fahren lassen wollen.

Fazit

  • Autofahren im Alter ist ein sensibles Thema. Es ist ein Symbol für Selbstbestimmung und persönliche Freiheit. Das aufzugeben ist ein großer Einschnitt.
  • Es gibt nicht die eine Lösung dafür, sondern viele kleine Schritte.
  • Wenn du dir darüber im Klaren bist und deinen alten Eltern mit genügend Feingefühl dabei hilfst, ohne Gesichtsverlust auf das Autofahren zu verzichten, so ist allen geholfen. Auch wenn du zu einer Notlüge greifen musst.
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